In der Nacht um 00:30 klingelt das Telefon. Man habe gegen 22:30 einen etwa 60kg Überläuferkeiler beschossen, dieser sei in den Raps geflüchtet. Der Anschuss sei nicht genau bekannt, Schweiß sei nicht gefunden worden. Eine erste Nachschau mit Wärmebildkamera habe nicht zum Erfolg geführt.
Da ich am nächsten Tag leider unverschiebbar Frühdienst habe, verabreden wir uns für 12:30.
Im Mai ist der Raps bereits etwa brusthoch. Durch den engen Stand und den schlingpflanzenähnlichen Aufbau des Raps, gleicht ein Schlag zu dieser Jahreszeit einem nur beschwerlich durchdringbaren "Dschungel". Die Sicht unterhalb Brusthöhe ist bis auf etwa einen, vielleicht zwei Meter begrenzt. Die Möglichkeit auszuweichen, ist für Hund und Führer sehr eingeschränkt.
Die Nachsuche auf einen Keiler im Raps ist daher grundsätzlich einer der gefährlichsten Einsätze, die ein Gespann erwarten kann. Ich rief deswegen kurzfristig einen guten Jagdfreund an, welcher ein erfahrener Saujäger und Stöberhundführer ist, um die Nahsicherung für uns zu übernehmen. Glücklicherweise sagte Lars sofort zu und steht 12:30 mit am Treffpunkt.
Dort werden wir in die Lage eingewiesen. Der Keiler habe am Fuße eines typisch norddeutschen Knicks gestanden als er beschossen worden sei. Die genau Stelle im Knick sei jedoch nicht bekannt. Haltepunkt sei das Blatt gewesen und der Schütze habe auch Kugelschlag gehört. Danach sei der Keiler durch den Knick in den angrenzenden Rapsschlag geflüchtet.
Ich lasse Rigby am Knick vorsuchen, so richtig Interesse zeigt er aber nicht an den gut sichtbaren Wildwechseln. Erst als ich den Bereich etwas erweitere, zieht er plötzlich zielstrebig in den Knick hinein. Auf der anderen Seite markiert er kurz am Beginn des Rapsschlages. Ein Einwechsel ist nicht zu erkennen, jedoch zwei kleine, durch den starken Regen verwässerte Tropfen Schweiß.
Von da an geht Rigby selbstbewusst und zielstrebig durch die hohen Schlingpflanzen. Eine Art "Tunnel", wie er manchmal in den Brombeeren vorhanden ist, gibt es nicht. Der Raps schließt auch hinter uns sofort wieder dicht ab.
Zwei kleine Haken und plötzlich schaut mich Rigby an und scheint zu sagen: "Da liegt sie doch!".
Tatsächlich! Direkt vor ihm, etwa 60m in den Rapsschlag hinein liegt der korrekt angesprochene Keiler mit perfektem Kammerschuss. Einen Ausschuss gab es jedoch nicht, was auch die mangelnden Pirschzeichen insbesondere im Anschussbereich erklärt,
Wir sind dann doch etwas erleichtert, dass der Keiler bereits verendet war und es nicht zu einer Hatz oder Bail im "Dschungel" kam.
Auch hier zeigte sich wieder, dass fehlender Schweiß am Anschuss nicht bedeutet, gefehlt zu haben oder dass das Stück nur unerheblich verwundet sei.
Weiterhin hat die Wärmebildkamera - wie auch schon bei einer Keilernachsuche die Woche zuvor - gezeigt, dass sie Grenzen hat und schon gar kein Ersatz für einen brauchbaren Hund ist.